Ökonomen lieben Wirtschaftswachstum. In der Regel jedenfalls. Kommt derzeit jedoch die Rede auf den Wirtschaftsboom in Deutschland, legen viele von ihnen die Stirn in Falten.Sehen sie doch in der wieder erwachten Stärke der größten europäischen Volkswirtschaft ein Risiko für den Euro. „Die Euro-Zone hat ein Problem: Deutschland läuft allen anderen davon, ist wirtschaftlich stabiler als der Rest“, sagt ein Analyst von der Commerzbank. „Die Spannungen innerhalb des Euro-Raums werden damit immer höher. Auf Dauer hält das eine Währungsunion nicht durch.“

Und so ist eines der Lieblingswörter der Euro-Experten derzeit Divergenz. Während das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands nach ihren Berechnungen schon bald wieder das Niveau von vor der Finanz- und Wirtschaftskrise erreicht haben dürfte, hinken Länder wie Irland, Griechenland oder Spanien deutlich hinterher. Das zeigte sich bereits am Aktienmarkt. Der von Industrie- und Autowerten wie Volkswagen, Siemens und BASF dominierte Dax hat im zu Ende gehenden Jahr bisher rund 18 Prozent gewonnen und damit die europäische Konkurrenz um Längen abgehängt. Experten erwarten eine Fortsetzung des Aufwärtstrends im kommenden Jahr. Doch diese Zuversicht mag nicht auf den Euro überspringen. Im Gegenteil: Es sind vor allem die drohenden politischen Auseinandersetzungen zwischen potenziellen Zahlern und Hilfsempfängern, die zum Sprengsatz für die Euro-Zone werden könnten. „Wegen ihrer Vielstaaterei steht die Euro-Zone immer schlechter als die USA da, selbst wenn beide ähnliche Probleme hätten“, sagte UniCredit-Experte Armin Mekelburg. Analysten sehen die Möglichkeit, dass insbesondere in Deutschland der Geduldsfaden reißt, nach dem Motto: „Warum sollen wir dafür bestraft werden, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit in den vergangenen Jahren gesteigert haben.“